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In Herth/Arndts wird die Weyrauch-Näherung als eine Lösung des Anomalien-Problems angeboten. Bei bestimmten Bedingungen kann es vorkommen, dass "die Zuströmung Q mit kleiner werdenden Absenkungen größer wird. ... Weyrauch schlägt in einer nicht veröffentlichten Arbeit vor, in derartigen Fällen für den Wert $$\frac{1}{2,3\left( \lg \ R-\lg \ {{A}_{RE}} \right)}=2\cdot \frac{{{A}_{RE}}}{R}+0,25$$ zu setzen, der empirisch gefunden worden ist" (S. 90). Der Vorschlag lautet, Q als eine abschnittsweise definierte Funktion festzulegen:
$$Q=\left\{ \begin{align} & \frac{\pi \cdot k\cdot \left( {{H}^{2}}-{{h}^{2}} \right)}{ln\left( \frac{R}{{{A}_{RE}}} \right)} &ln\left( \frac{R}{{{A}_{RE}}} \right)\ge 1 \\ & \pi \cdot k\cdot \left( {{H}^{2}}-{{h}^{2}} \right)\cdot \left( 2\cdot \frac{{{A}_{RE}}}{R}+0,25 \right) &ln\left( \frac{R}{{{A}_{RE}}} \right)<1 \\ \end{align} \right.$$Nun meint "empirisch gefunden" nach üblichem Sprachgebrauch: es wurden Messungen durchgeführt und daraus ging die Formel hervor. Im Falle der Weyrauch-Formel entspricht dies aber nicht den Tatsachen1, denn der Funktionsterm ergibt sich als eine innerhalb gewisser Grenzen hinreichend genaue lineare Näherung der logarithmischen Kurve \(x\to \frac{1}{ln\left( \frac{1}{x} \right)} = - \frac{1}{ln(x)}\), die in der Dupuit-Thiemschen Formel mit \(x=\frac{{{A}_{RE}}}{R}\) auftritt.
Die Abbildung zeigt den Graphen der logarithmischen Kurve (1) und den der linearen Funktion, die durch y = 2 ⋅ x + 0,25 (2) gegeben ist.
Für 0,02 < x < 0,4 approximiert die lineare Funktion die logarithmische mit einer Genauigkeit, die innerhalb der Grenzen der sonstigen Parameter liegt. Welche Grenzen erhält man damit für \( ln \left( \frac{R}{{{A}_{RE}}} \right) \)? $$\begin{align} & \quad \quad 0,02\text{ }<\text{ }\frac{{{A}_{RE}}}{R}\text{ }<\text{ }0,4 \quad \quad \quad |\hat{\ }(-1) \\ & \Leftrightarrow \frac{1}{0,02}\ \,>\ \ \frac{R}{{{A}_{RE}}}\ \ \,>\frac{1}{0,4} \quad \quad | \; ln \\ & \Leftrightarrow ln\left( \frac{1}{0,02} \right) \,>\ \ ln\left( \frac{R}{{{A}_{RE}}} \right) \,>ln\left( \frac{1}{0,4} \right) \\ & \Leftrightarrow 3,91\ >\quad ln\left( \frac{R}{{{A}_{RE}}} \right)\ >\quad 0,91\approx 1 \\ \end{align}$$
Womit auch die Herkunft der Grenze in der obigen Formel für Q für den Wechsel des Funktionsterms geklärt wäre. Mit Hilfe einer linearen Regression kann man die Approximation verbessern2, aber darauf kommt es gar nicht an, wie wir gleich sehen werden. Es sei noch einmal deutlich gesagt: Der Vorschlag von Herth/Arndts lautet, die Weyrauch-Näherung gerade außerhalb ihres Gültigkeitsbereichs zu verwenden und zwar dann, wenn \( ln \left( \frac{R}{{{A}_{RE}}} \right) \lt 1 \) ist.
Die Approximation ist völlig unabhängig von der benutzen Reichweitenformel verwendbar und kann dann eingesetzt werden, wenn der Nenner \(ln\left( \frac{R}{{{A}_{RE}}} \right)\) lautet (und die oben angegebenen Grenzen eingehalten werden). Wie sich die Näherung auf den Verlauf des Graphen der Funktion Qs auswirkt, wenn man die Sichardtsche Reichweitenformel einsetzt, zeigen die nachstehenden Abbildungen.
Grün: Q(s) mit Sichardt-Reichweite; Blau: Q(s) mit Weyrauch-Näherung.
frei typisch : s = 5 m, ARE = 30 m, k = 5E-4 m/s, H = T = 12,5 m, r = 0,3m.
frei ungültig: s = 10 m, ARE = 60 m, k = 1E-4 m/s, H = T = 12,5 m, r = 0,3m.
gespannt typisch : s = 5m, ARE = 30 m, k = 5E-4 m/s, H = T = 22 m, r = 0,3m.
gespannt ungültig: s = 10 m, ARE = 85 m, k = 1E-5 m/s, H = T = 22 m, r = 0,3m.
Hinweis: Die Graphen wurden mit GwR erzeugt und GwR benutzt hier die oben gezeigte
abschnittsweise definierte Funktion. Der Verlauf nach Weyrauch wird also nur für \(ln\left( \frac{R}{{{A}_{RE}}} \right) \lt 1\)
dargestellt.
Mit Weyrauch-Funktion ist der Teil der abschnittsweise definierten Funktion s → Q(s) gemeint, der für \( ln\left( \frac{R}{{{A}_{RE}}} \right) < 1 \) gilt. Ich setze im Folgenden die Sichardtsche Reichweitenformel voraus; wenn man die nach Kussakin verwendet, ändert sich im Wesentlichen nichts.
Der Graph der Weyrauch-Funktion ist eine nach unten geöffnete Parabel; ihr Scheitelpunkt liegt bei \({{s}_{\max }}=H-\frac{4\cdot {{A}_{RE}}}{{{c}_{R}}\cdot \sqrt{k}}\), wobei mit cR der Faktor in der
Der Graph der Weyrauch-Funktion ist eine Gerade mit positiver Steigung; auch hier ist Q(0) > 0.
Es ist nur ein Vorteil erkennbar: Die Polstelle wird beseitigt, Q(s) wird nicht mehr negativ.
Die Approximation ist einigermaßen genau in einem Bereich, in dem es heute keinen Vorteil bringt, sie zu benutzen3. Wird sie über ihren Gültigkeitsbereich hinaus fortgesetzt und insbesondere für Werte s mit \(ln\left( \frac{R}{{{A}_{RE}}} \right) \lt 1\) eingesetzt, so wird zwar die Polstelle von Qs beseitigt, aber die Anomalien bleiben bestehen. Mit der Weyrauch-Approximation kann allenfalls eine obere Grenze für den Wasserandrang bei flachen Absenkungen ermittelt werden. Kurz gesagt: Die in Herth/Arndts dargestellte Lösung für das Problem der Berechnung flacher Absenkungen ist so nicht haltbar und die sogenannte Weyrauch-Formel sollte zu ihrer Berechnung nicht angewandt werden - jedenfalls nicht ohne eine Analyse der Situation mit GwR.
Trotz dieser offenkundigen Schwächen wird die Approximation auch in Handbüchern benutzt. Stelzig4 behandelt eine Grundwasserabsenkung, bei der \(ln\left( \frac{R}{{{A}_{RE}}} \right) \approx 0,73\) ist und verwendet ohne weiteren Kommentar die Berechnung nach Weyrauch. Wegen der verbreiteten Verwendung in der Praxis ist die Weyrauch-Näherung auch in unserer Software verfügbar - kann aber abgeschaltet werden.
Von Weber stammt der Vorschlag, die Reichweite unter Berücksichtigung des Ersatzradius wie folgt zu berechnen: $$R_{Weber} = {\sqrt{R^2 + A^2_{RE}}}$$ (Herth/Arndts (100), S. 97).
Für flache Absenkungen geht die Weber-Reichweite nicht gegen 0, wie die Sichardt-Reichweite, sondern gegen ARE. Kombiniert man die Weyrauch-Näherung mit der Reichweiten-Formel von Weber, dann erhält man einen Verlauf des Graphen der Funktion s → Q(s), der, wenigstens für flache Absenkungen, die Anforderungen (vgl. Anomalien) erfüllt. Ob die so ermittelten Wassermengen auch "richtig" sind ist eine andere Frage...
1. ∧ Persönliche Mitteilung von Dipl. Ing. Fritz Weyrauch.
2. ∧ Bei 20 Datenpunkten im Intervall [0, 0.4] erhält man y=2.0944x+0.2138 als optimale lineare Näherung.
3. ∧ Die Näherung war für Weyrauch nach eigenen Aussagen als Rechenvereinfachung gedacht - sie wurde schließlich in der Zeit der Rechenschieber entwickelt!
4. ∧ Stelzig, S., Wasserhaltung. In: Handbuch Geotechnik. Grundlagen – Anwendungen – Praxiserfahrungen; Hrsg. Conrad Boley, Springer Vieweg (eBook) 2019), 261-327.